Flora und Fauna der Arberregion
Die Arberregion hat eine herausragende Bedeutung für den Artenschutz. Neben dem einzigartigen Schwingrasen des eiszeitlichen Großen Arbersees, den Urwäldern in der Arberseewand und den Schluchtwäldern in der Rieslochschlucht bietet der waldfreie Gipfel einer Vielzahl von seltensten Tier- und Pflanzenarten Lebensraum. Häufig handelt es sich sogar um deren einziges Vorkommen im Bayerischen Wald und außerhalb der Alpen.
Urwälder in der Seewand
Die ca. 400 m steil aufragende Arberseewand mit ihren Sumpfmulden, Felskaskaden und kleinen Wasserfällen beherbergt einen der eindrucksvollsten Urwaldreste des Bayerischen Waldes. Da Holznutzung hier wegen der Unzugänglichkeit und Abgelegenheit nicht durchführbar war, blieben die Wälder über Jahrhunderte weitgehend unberührt. Das, durch die hohe Luftfeuchtigkeit bedingte, üppige Wachstum von Moosen, Flechten und Farnen, sowie die in den Steilhängen stattfindende starke mechanische Verwitterung unterstreichen den „urigen“ Charakter noch. Gelegentlich gehen in dem steil geneigten Gelände sogar Schnee- und Eislawinen ab.
Charakteristische Merkmale von Urwäldern:
- Aufbau aus mehreren Baumarten (Buche, Fichte, Tanne und Bergahorn)
- Unterschiede in Alter und Höhe der Bäume
(z.T. bis weit über 400 Jahre alt, Stammhöhen von 30-40 m)
- Schichtenstruktur
(Obere und untere Baumschicht, Strauchschicht, Kraut- und Moosschicht)
- Viele Habitatnischen
(Totholzreich, schattige und besonnte, feuchte und trockene Bereiche)
- hohe Artenvielfalt
Die "schwimmenden Inseln" in den Arberseen
Insgesamt 8 Eiszeitseen existieren noch im Bayer- bzw. Böhmerwald. Aber nur im Kleinen und Großen Arbersee gibt es die als „schwimmende Inseln“ bezeichneten Schwingrasen.
Seit der Eiszeit erobern hier Pflanzen die freie Wasserfläche, indem sie ihre Sprosse in den See vorantreiben und somit Siedlungsfläche für Torfmoose und Seggen bilden. Im Laufe der Jahrtausende haben diese Moorflächen, die überwiegend aus Torf (abgestorbene Pflanzen) bestehen, eine Dicke von 1 bis 3 Metern erreicht. Als man die Arberseen für die Holztrift um mehr als einen halben Meter anstaute, verloren diese Verlandungsflächen ihre Verbindung zum Untergrund und „schwimmen“ seitdem auf der Wasseroberfläche.
Im Kleinen Arbersee verändern die Inseln je nach Windrichtung Ihre Position. Die Schwingrasen im Großen Arbersee schieben sich am Westrand des Großen Arbersees auf ca. 2 ha vom Ufer aus über die Wasserfläche und haben an den flachen Ufern Kontakt zum Festland.
Die Moore der Schwingrasen bilden auf ihrer Oberfläche ein Relief aus seichten Vertiefungen ("Schlenken“) und flachen Erhebungen („Bulte“) aus. In den Schlenken wächst die Schlammseggen-Gesellschaft, charakterisiert durch Schlammsegge, die seltene arktische Rieselsegge, Blumenbinse und Sumpfbärlapp. Die Hochmoor-Bultgesellschaft findet sich auf den höhergelegenen Stellen, hier dominieren Hochmoorarten wie Zwergsträucher, Rauschbeere, Moosbeere, Sonnentau, Wollgras und Rosmarinheide.
Von Extremisten und Überlebenskünstlern
Als einzige Erhebung im Bayerischen Wald erreicht der Große Arber die klimatische Baumgrenze. In unmittelbarer Gipfelnähe treffen wir auf Pflanzenarten und Vegetationsformen, die für die subalpine Florenregion typisch sind. Ein Vergleich mit anderen markanten Berggipfeln des ostbayerischen Waldgebirges zeigt, dass das Pflanzenkleid des Arbergipfels für den Bayerischen Wald einzigartig ist. Auf keinem anderen Berg des Bayerischen Waldes finden sich so viele Pflanzenarten, deren Hauptverbreitungsgebiete normalerweise die Alpen sind.
Mit zu den auffälligsten und schönsten Pflanzen des Arbergipfels zählt der bis zu 50 cm groß werdende Ungarische Enzian (Gentiana pannonica) (siehe Foto). Seine blau-violetten Blütenstände sind dort typische Begleiter subalpiner Borstgrasrasen. Im Gegensatz zu vielen anderen Arten ist er am Arber ungefährdet und breitet sich am Arbergipfel derzeit sogar leicht aus. Auch das in Felsspalten wachsende Felsstraußgras (Agrostis rupestris) gehört zu den bemerkenswerten Pflanzen des Arbergipfels. Es ist in Bayern außerhalb der Alpen nur am Arber zu finden.
Weitere arktisch-alpische Florenelemente am Arber sind die Dreiblatt-Binse (Juncus trifidus ssp. trifidus) und der seltene Alpenflachbärlapp (Diphasium alpinum). Eine botanische Kostbarkeit am Gipfel stellt der Krause Rollfarn (Cryptogramma crispa) dar, beherbergt der Große Arber doch das bundesweit größte Vorkommen von dieser äußerst seltenen Farnpflanze.
Die vielgestaltigen Felsköpfe, auch Riegel genannt, und Blockhalden verleihen der Arbergipfelregion ihr markantes Gepräge. Hier findet sich der Felsstraußgras-Dreiblattsimsen-Felsrasen, ein Vegetationstyp, der außerhalb der Alpen nur am Großen Arber vorkommt.
Im Blockmeer am oberen Arbernordhang und im östlichen Umfeld des Großen Seeriegels wachsen ausgedehnte Latschenbuschwälder. Auf dieser Höhenstufe liegt die Kampfzone des Waldes. Nur der Latsche (Pinus mugo ssp. mugo) mit ihrem niedrigen Wuchs und vereinzelt auch der Vogelbeere gelingt es hier noch zu wachsen.
Eingestreut in das Latschengebüsch findet sich hier ein weiterer Vertreter der Alpenregion - die Krähenbeere (Empetrum hermaphroditum), ein unscheinbarer Zwergstrauch, der in seinem außeralpischen Verbreitungsgebiet als stark gefährdet gilt.
Die Fauna der Arberregion
Die Tierwelt des Großen Arbers wird durch das Vorkommen subalpiner bzw. alpiner Artvertreter geprägt. Hinsichtlich der Vogelwelt zählt die Gipfelregion sogar zu den ornithologisch bedeutendesten Gebieten des Bayerischen Waldes. So existiert am Arbergipfel eine kleine isolierte Population des Bergpiepers. Dieses Vorkommen stellt zur Zeit die einzige Brutpopulation dieses Vogels zwischen den Alpen und den Sudetengebirgen dar.
Auch die Alpenbraunelle hat im Arbergebiet ihren einzigen außeralpinen Verbreitungspunkt in Bayern. Beobachtet wurde sie zur Brutzeit schon mehrfach am Arbergipfel, Bruthinweise liegen aber bislang nur aus der Arberseewand vor.
Ein weiterer wichtiger Vogellebensraum der Arberregion ist die Seewand mit ihrem urwaldartigen Waldbestand. Von den 45, von SCHERZINGER nachgewiesenen Vogelarten sind das Auerhuhn, der Weißrückenspecht, der Dreizehenspecht und der Sperlingskauz von besonderer Bedeutung.
Seit einigen Jahren siedelt auch der Wanderfalke wieder in den Felswänden der Arberregion (im Riesloch, in der Arberseewand und am Kaitersberg) und regelmäßige Brutzeitbeobachtungen des Kolkraben lassen auch bei dieser Art auf eine Wiederbesiedlung hoffen.
Während die Vogelwelt des Arbers ausreichend untersucht ist, liegen über andere Tiergruppen und -arten bislang nur wenige Daten vor. Sicher ist, dass zwischenzeitlich der Luchs in der ausgedehnten Waldlandschaft des Kaitersberg-Arberzuges wieder eine Heimat gefunden hat. Rund um den Kleinen und Großen Arbersee werden seit einigen Jahren Spuren des Bibers gefunden.
Sporadische Untersuchungen zur Insektenwelt der Arberregion belegen, dass hier zahlreiche bayernweit vom Aussterben bedrohte Arten oder Arten, die für die Landschaft des Inneren Bayerischen Waldes typisch sind, noch Rückzugsrefugien besitzen. Beispielsweise leben in den Moorverlandungen des Kleinen und Großen Arbersees zwei in Bayern sehr seltene Moorlibellenarten: Hochmoormosaikjungfer und Gefleckte Smaragdlibelle. Auch die bestandsgefährdete Sumpfschrecke findet hier noch einen passenden Lebensraum.
In lichten Waldbeständen, an blütenreichen Waldsäumen und Bergwiesen zwischen 900 und 1100 m Höhe. trifft man an warmen Sommertagen auf den Bayerwald-Mohrenfalter - ein typischer Schmetterling des Bayerischen Waldes. Seine nächsten Vorkommen liegen in den Hochlagen des angrenzenden Böhmerwaldes, den Sudeten und in den Alpen.